Der Gemsjäger | Märchen der Gebrüder Grimm

Gemse
Ein Gemsjäger stieg auf und kam zu dem Felsgrat, und indem er weiter empor klomm, weiter als er je vorher gelangt war, stand plötzlich ein Zwerg von ihm der sprach zornig: „Warum erlegst du mir lange schon meine Gemsen, und lässt mir nicht meine Herde in Ruhe?  Jetzt sollst Du es mit deinem Blut teuer bezahlen!“ 
 
Der Jäger erbleichte und wäre bald hinab gestürzt, doch fasste er sich noch und bat den Zwerg um Verzeihung, denn er habe nicht gewusst, dass ihm diese Gemsen gehörten. Der Zwerg sprach: „Gut, aber lass dich hier nicht wieder blicken, so verspreche ich dir, dass du jeden siebten Tag, Morgens früh vor deiner Hütte eine geschlachtete Gemse finden sollst, aber hüte dich und schone mir die anderen.“
 
Der Zwerg verschwand, und der Jäger ging nachdenklich heim, und die ruhige Lebensart behagte ihm wenig. Am siebten Morgen hing eine fette Gemse in den Ästen eines Baumes vor seiner Hütte, davon zehrte er ganz vergnügt und die nächste Woche ging es ebenso und dauerte ein paar Monate fort. 
 
Allein zuletzt verdross den Jäger seine Faulheit, und er wollte lieber selbst Gemsen jagen, möge erfolgen was da werde, als sich den Braten zutragen lassen. Da stieg er auf, und nicht lange, so erblickte er einen stolzen Leitbock, legte an und zielte. Und als ihm nirgends der Zwerg erschien, wollte er eben losdrücken, da war der Zwerg hinterher geschlichen, und riss den Jäger am Knöchel des Fußes nieder, dass er zerschmettert in den Abgrund sank.

 

Über Aventin

Von einem, der sich aufmachte Weisheit zu finden. - Fabeln - Novellen - Sagen - https://aventin.de
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